BlogDie Inside Passage in Westkanada

Die Inside Passage in Westkanada

Jörg Michel - Blog

Förmlich eine Mini-Kreuzfahrt durch die Wildnis!
Ein Gastbeitrag vom in Kanada lebenden Journalisten Jörg Michel 

Die Inside Passage gilt als einer der schönsten Seewege der Welt. Mit der Fähre „MV Northern Expedition“ war ich dort unterwegs.

Es ist 4 Uhr 30, in dem Alkoven unseres Wohnmobils klingelt der Wecker. Wir streifen den Vorhang zur Seite und blicken nach draußen: Über dem Pazifik hängt dichter Nebel, die Wellen am Strand plätschern sanft vor sich hin, auf unserem Stellplatz schwelt die Asche des Lagerfeuers von der letzten Nacht. Höchste Zeit, aufzustehen! Es reicht gerade noch für einen schnellen Kaffee, dann verstauen wir die verbliebenen Holzscheite im Außenfach, schließen wir unseren Camper ab und brausen los.   

Wir sind unterwegs nach Port Hardy, einem Hafenstädtchen an der Nordspitze von Vancouver Island, der mit gut 400 Kilometern Länge größten Pazifikinsel in Nordamerika. Im Seitenfenster unseres Truck-Campers ziehen wilde Küsten, tiefe Wälder und glitzernde Seen vorbei. Auf der Gegenfahrbahn brettern riesige Lastwagen vorüber. Ihre Scheinwerfer leuchten matt im Morgennebel.

Ankunft in Port Hardy. Am Dock wartet die „MV Northern Expedition“ auf uns, eine staatliche Fähre von BC Ferries für 600 Passagiere und 150 Autos. Wir parken unser Wohnmobil im Bauch des Schiffs, weitere Autos und Motorräder folgen. Um kurz nach halb acht lässt der Kapitän mehrmals die Sirene aufheulen, und schon wenige Minuten später pflügt sich die Fähre mit 12.000 Pferdestärken in Richtung Norden.

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Die nächsten sechzehn Stunden durchqueren wir die Inside Passage, einen der schönsten Seewege der Welt. Die rund 500 Kilometer lange, zerklüftete Strecke verbindet den Norden von Vancouver Island mit der Hafenstadt Prince Rupert an der Grenze zu Alaska. Auch bei vielen Kreuzfahrtschiffen ist die Route populär, denn sie ermöglicht den Passagieren einen Einblick in einige der entlegensten Regionen im Westen Kanadas, die auf dem Landweg nur schwer oder gar nicht erreichbar sind.

Die Etappe auf See fühlt sich wie eine Mini-Kreuzfahrt an. Wir sitzen in der Aurora-Lounge im Bug des Schiffes auf verstellbaren Polstersesseln bei unserem zweiten Kaffee des Morgens und lassen die Wildnis an uns vorüberziehen: Mit 19 Knoten schlängelt sich die Fähre an „Gods Pocket“ vorbei, ein paar unbewohnten Inseln und Inselchen unweit von Port Hardy, die besonders bei Paddlern und Seglern beliebt sind. Für die Ureinwohner hätten diese Inseln eine wichtige spirituelle Bedeutung, erklärt ein Crewmitglied durch die Lautsprecher, und wir verstehen sofort, was er meint.

Die Landschaften an der Strecke haben tatsächlich etwas Geheimnisvolles, Mystisches und Unnahbares. In der Morgendämmerung tauchen wir ein in die Magie des Moments. Der Kapitän windet die Fähre durch enge Fjorde und Kanäle, vorbei an bunten Leuchttürmen, bewaldeten Inseln, rauschenden Wasserfällen, schroffen Tafelbergen und indigenen Dörfern. Das Ufer haben wir dabei stets in Sichtweite, der Himmel ist tiefblau, das Wasser ist ruhig.

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Ab und zu treten wir nach draußen aufs Außendeck. Der Wind pfeift, wir streifen uns Wollmützen und Windjacken über. Über dem Schiff kreisen und kreischen Möwen, immer wieder ziehen hoch oben am Himmel majestätische Weißkopfseeadler ihre Runden. Auf einmal zeigt eine Passagierin aufgeregt aufs Meer. Wir trauen unseren Augen kaum: Drei Buckelwale ziehen in Sichtweite ihre Runden. Die majestätischen Riesensäuger tauchen mehrmals auf und ab und fast hat man den Eindruck, sie schauen zu uns herüber. Irgendwann strecken sie ihre riesigen Schwanzflossen senkrecht nach oben und verschwinden in den Tiefen des Pazifiks.

Noch immer sprachlos über das tierische Rendezvous begeben wir uns auf einen Rundgang über das Schiff. Die „MV Northern Expedition“ bietet zwar nicht den Komfort eines luxuriösen Kreuzfahrtschiffs, gehört mit seinen vier Decks aber zu den modernsten und am besten ausgestatteten Fähren der BC-Ferries-Flotte. Das von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft in Deutschland gebaute Gefährt bietet mehrere Passagierräume, zwei Selbstbedienungsrestaurants, eine Bar mit Fernsehern, einen Souvenirshop und 55 Kabinen für jene, die während der langen Überfahrt in privater Atmosphäre ein wenig schlafen oder dösen möchten.

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Angesichts der phänomenalen Natur unterwegs ist für uns an Schlafen nicht zu denken. Wir pflügen uns weiter durch die Wildnis, vorbei an den Ruinen einer ehemaligen Konservenfabrik für Fische. Am frühen Nachmittag erreicht die Fähre schließlich die kleine Küstengemeinde Bella Bella, in der rund 1.400 Menschen leben, die meisten davon Ureinwohner vom Stamm der Heiltsuk. Zwei Dutzend Autos fahren hier aus dem Bauch der Fähre heraus an Land, eine Handvoll Passagiere steigt hinzu. Für die Bewohner von Bella Bella ist die Fähre eine wichtige Lebensader, denn einen Straßenanschluss an den Rest des Landes gibt es nicht.

Der Nachmittag vergeht im Flug, wenige Stunden vor der Ankunft in Prince Rupert sinkt die Sonne hinter den Horizont und taucht die Landschaften des Nordens in ein orangefarbenes Licht. Zum Abendessen in der Cafeteria gibt es eine Muschelsuppe mit Salat, dazu Tee mit Pfefferminze. Als wir ein letztes Mal aufs Außendeck treten, sehen wir in der Ferne bereits die Lichter von Prince Rupert. Der Containerhafen des Orts ist hell beleuchtet, mehrere Frachter aus Asien werden gerade entladen.   

Gekonnt legt der Kapitän am Passagierterminal an. Es ist kurz nach Mitternacht, über uns funkeln die Sterne, als wir mit dem Wohnmobil von Bord fahren. Am Land ist es feucht und frisch, es riecht nach Moosen und Wäldern. Wir übernachten auf einem Campingplatz am Stadtrand im Regenwald. Wir knipsen das Licht in unserem Alkoven aus. Ein erlebnisreicher Tag geht zu Ende. Am nächsten Morgen müssen wir wieder früh aufstehen. Es geht weiter mit dem Camper am Skeena River entlang durch den Norden von British Columbia. Was für eine Reise!

ENDE

Bilder zur Reise

Informationen:
BC Ferries bedient die Inside Passage zwischen Port Hardy und Prince Rupert in den Sommermonaten drei- bis viermal in der Woche. Zur Hauptsaison im Juli und August ist die Route oft Wochen im Voraus ausgebucht, Reservierungen sind daher dringend empfohlen, in der Hauptsaison ab $ 200 pro Person, ab $ 460 für ein Pkw oder kleines Wohnmobil, ab $ 40 für die Aurora-Lounge, https://www.bcferries.com/

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Gerne buchen wir Ihre gewünschte Fährverbindung und organisieren Ihre persönliche Westkanada Reise.
Schreiben Sie uns von Canada Dream Tours Ihre Reisewünsche: mail@canadadreamtours.de 

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Jörg Michel
arbeitet als freier Journalist, Buchautor und Auslandskorrespondent in Kanada. Nach über zehn Jahren bei einer Tageszeitung in Berlin war er 2010 nach Kanada ausgewandert. Dort lebte er unter anderem in Banff, Jasper und Victoria bevor er nach Calgary zog. In Kanada hat er alle Provinzen und Territorien bereist, meist mehrmals. Im 360-Grad-Verlag sind von ihm zwei Reiseführer „abseits der ausgetretenen Pfade“ erschienen: einer über Alberta, einer über British Columbia.

Auf Social Media finden Sie ihn auf Facebook (@storiescanada) und Instagram (joerg_stories_canada)
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