BlogTofino – Wildes Wetter? Na klar!

Tofino – Wildes Wetter? Na klar!

Jörg Michel - Blog

Tofino auf Vancouver Island gilt als Kanadas Hochburg für „Stormwatching“
Ein Gastbeitrag vom in Kanada lebenden Journalisten Jörg Michel

Als ich auf Vancouver Island lebte, bin ich immer wieder gerne für ein Wochenende nach Tofino gefahren. Der Ort an der Pazifikküste ist zu jeder Jahreszeit ein Hingucker. Besonders aber im Winter. Wenn das Wetter draußen so richtig ungemütlich ist, gefällt mir Tofino am besten. Dann zeigt sich die Natur von ihrer rauen und ungezähmten Seite.

Uns so sieht ein Wintertag an den Stränden von Tofino gewöhnlich aus: Der Himmel ist grau, die Wolken sind schwer, das Meer ist aufgewühlt und voller weißer Schaumkronen. Unaufhörlich rollen meterhohe Wellen auf die Küsten zu und werfen entwurzelte Bäume ans Land. Am Strand türmen sich die Stämme. Es ist Wildnis pur!

Da ist es kein Wunder, dass der kleine Ort am Rande des Pacific Rim National Park als die Sturmhauptstadt Nummer eins in Kanada gilt. Zwischen Oktober und März macht Tofino seinem Ruf alle Ehre: Nicht enden wollende Tiefausläufer aus Alaska werfen Kaskaden von Regen über den Ort. Auf meiner Haut fühlt er sich wie Nadelstiche an.

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„Stormwatching“ nennen die Kanadier das stürmische Vergnügen, das in der Nebensaison jedes Wochenende tausende Einheimische und Besucher nach Tofino bringt. Sechs Stunden bin ich von Vancouver aus in das ehemalige Fischerdorf gefahren – bis die Straße endet. Dahinter kommt Japan, tausende Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Pazifik.

Doch was anziehen, wenn der Sturm so richtig peitscht? Der Wind weht mit locker 60-70 Stundenkilometern über den Strand. Ich trage zwei Schichten Pullis, eine knallgelbe Regenjacke, eine Regenhose und kniehohe Gummistiefel. Einen Regenhut habe ich leider keinen, die Kapuze muss genügen. Regenschirm? Den kann man hier vergessen!

Entschlossen stemme ich mich gegen die Böen. Meine Brillengläser sind voller Regentropfen, abwischen macht keinen Sinn. Am Chesterman Beach, dem bekanntesten Strand in Tofino, ist  viel los. Eine Frau schiebt einen Kinderwagen durch den Matsch, Kinder bewerfen sich mit Sand, ein älterer Herr lässt seinen Hund frei laufen. So unterhaltend kann Regen sein.

Ich halte Abstand vom Ufer, damit ich nicht von den angeschwemmten Bäumen erschlagen oder aufs offene Meer hinausgespült werde. Zwischen den Baumstämmen finde ich eine faustgroße, gläserne Kugel. Sie stammt aus Japan. Fischer verwenden sie dort als Bojen für ihre Netze. Strömungen und Wellen bringen sie über tausende Kilometer bis nach Tofino.

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An kaum einem Ort in Kanada regnet es im Winter so viel wie in Tofino – wie es sich für einen pazifischen Regenwald gehört. George McDiarmid findet das in Ordnung: je schäbiger das Wetter, desto besser für ihn! Der Hotelier aus Tofino gilt als Vater des „Stormwatching“. Er hatte die Idee, das schlechte Wetter zu zelebrieren und für Besucher zu vermarkten.

McDiarmid empfängt mich im Panoramarestaurant des Wickaninnish Inn, einem luxuriösen Familienhotel, das manche in Europa vielleicht aus Frank Schätzings Bestseller „Der Schwarm“ kennen. Der Rundumblick ist fantastisch: Über dem Meer liegt ein Nebel aus Gischt. Dazwischen wachsen rote Zedern und Sitka-Fichten. Sie sind bis zu achthundert Jahre alt.

Auch im Hotel ist das Wetter allgegenwärtig. Der Sturm rüttelt an der Eingangstür. Die Brandung peitscht bis auf die Terrasse. Gäste stehen in Wolldecken eingehüllt auf ihren überdachten Balkonen und trotzen dem Wind. Andere haben es sich vor dem Kamin gemütlich gemacht, trinken einen Grog und schauen durch die großen Panoramafenster nach draußen.

Im Keller gibt’s einen Trockenraum für die nassen Klamotten, außerdem bekomme ich wie jeder Gast eine Taschenlampe, nebst Wetterbericht und Gezeitenkarte. Immer wieder kommt es vor, dass hier im Winter der Strom ausfällt. In der Nacht klappern die Fenster und der Wind pfeift durch die Ritzen im Gebälk. Das Grollen der Wellen ist nicht zu überhören.

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An Tagen wie diesen bleiben in Tofino die Ausflugsboote sicherheitshalber im Hafen. Normalerweise bringen sie die Gäste zu den Walen raus aufs Meer oder zu den Schwarzbären an die Küste. Die machen wegen des milden Klimas an der Küste nur zwei Monate Winterruhe und suchen nach dem Sturm die Strände ab nach Muscheln oder sonstigem Getier.

Nach zwei Tagen hat sich der Sturm beruhigt. Mit einer Tasse Kaffee trete ich nach draußen und siehe da: Die Sonne bricht durch die Wolken. Die Strände sind übersät mit Seetang, auf dem Wasser dümpeln ein paar Boote, waghalsige Surfer in Neoprenanzügen reiten auf den wogenden Wellen. In der Ferne am Ufer blinkt ein Leuchtturm.

Für einen letzten Spaziergang am Strand hülle ich mich in Wollpullover, Schal und Mütze und wandere noch einmal durch den betonharten Sand. Zurück am Parkplatz schalte ich die Autoheizung und das Radio ein. Der Nachrichtensprecher hat gute Neuigkeiten. Draußen auf dem Meer braut sich bereits ein neues Unwetter zusammen. Der nächste Sturm kommt!

ENDE

Informationen über Tofino und Vancouver Island:
https://vancouverisland.travel/ und https://tourismtofino.com/

Übernachtung:
z.B. Wickaninnish Inn am Chesterman Beach oder Long Beach Lodge Resort am Cox Beach
Aktivitäten:
Bootsfahren, Walbeobachtungstouren, Bärenbeobachtungstouren oder geführte Wanderungen
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Gerne organisieren wir für Sie Ausflüge und Aktivitäten rund um Tofino
Schreiben Sie uns von Canada Dream Tours Ihre Reisewünsche: mail@canadadreamtours.de 

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Jörg Michel
arbeitet als freier Journalist, Buchautor und Auslandskorrespondent in Kanada. Nach über zehn Jahren bei einer Tageszeitung in Berlin war er 2010 nach Kanada ausgewandert. Dort lebte er unter anderem in Banff, Jasper und Victoria bevor er nach Calgary zog. In Kanada hat er alle Provinzen und Territorien bereist, meist mehrmals. Im 360-Grad-Verlag sind von ihm zwei Reiseführer „abseits der ausgetretenen Pfade“ erschienen: einer über Alberta, einer über British Columbia.

Auf Social Media finden Sie ihn auf Facebook (@storiescanada) und Instagram (joerg_stories_canada)
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